Das wichtigste Argument der Neobroker könnte bald Vergangenheit sein


(digitaldaily) Alles umsonst – das hört sich auch beim Online-Trading zunächst gut an. Dieses „umsonst handeln“, so die Neobroker, würde den Finanzmarkt auch für Kleinanleger und Privatleute demokratischer und zugänglicher machen. Inzwischen sind es neben Verbraucherzentralen, seriösen Wirtschaftszeitungen auch die Finanzbehörden bis zur Europäischen Union, die die neuen Online-Trader zu mehr Transparenz und sogar zu einer Änderung ihres kompletten Geschäftsmodells per Gesetz zwingen wollen. Denn „umsonst“ arbeiten die Online-Trader der neuesten Generation natürlich nicht.  Die Millionengewinne werden dadurch erzielt, dass sie für jeden Verkauf einer Aktie oder eines anderen Finanzproduktes Provisionen vom Börsenplatz oder Broker bekommen. Und diese Provisionen sind für die Kunden der Neobroker kaum nachvollziehbar, schwanken je nach Tageszeit stark und ob der „Neo“ tatsächlich immer nach dem günstigsten Verkäufer für das gewünschte Papier sucht wird von manchen Experten angezweifelt. Trade Republic, Robinhood oder Scalable sind die aggressiven neuen Anbieter für Finanzgeschäfte, Online-Broker wie die der Sparkassen oder die Berliner Agora direct gehören zu den Portalen mit längerer Tradition und Markterfahrung. Die Geschäftsmodelle der beiden Wettbewerber-Gruppen unterscheiden sich erheblich.


Europäische Union will Geschäftsmodell der Neobroker beenden

Während Agora Direct seit 2005 ein fast unverändertes Preismodell anbietet, ist die Geschäftsidee der Neobroker möglicherweise schon nach wenigen Jahren Geschichte. Wegen fehlender Transparenz in der Preispolitik wollte die Europäische Union ursprünglich schon in diesem März mit den bisherigen Geschäftspraktiken aufräumen. James Nicholls, geschäftsführender Direktor bei der Compliance-Beratungsfirma Braithwate, sagt dazu: „Dies wird beträchtliche Auswirkungen auf den europäischen Neo-Broker-Markt haben, wo viele Firmen auf Zahlungen für den Auftragsfluss angewiesen sind, um ihren provisionsfreien Handelsdienst zu subventionieren.“

Bei dem Modell, bei dem für den Auftragsfluss gezahlt wird, erhalten Makler eine Vergütung für die Weiterleitung des Handelsvolumens an einen bestimmten „Marktmacher“. Diese Praxis ist umstritten, weil Kritiker argumentieren, dass die Händler möglicherweise nicht den besten Preis für ihre Geschäfte erhalten. Der Wirtschaftsnachrichtenagentur Bloomberg sagte Mairead McGuinness, die EU-Kommissarin für Finanzdienstleistungen, die Zahlung für den Auftragsfluss „kann dazu führen, dass Privatkundenaufträge nicht zu den für den Kunden günstigsten Bedingungen ausgeführt werden, sondern stattdessen zu den für die Makler profitabelsten Bedingungen“.

Die „Wirtschaftswoche“ hat die Gebührenpraktiken bei den „Neos“ analysiert und fasst das Ergebnis so zusammen: „Die Angebote klingen unschlagbar. Statt für Ordergebühren von bis zu 10 EUR und mehr gibt es den Aktienkauf bei Neobrokern wie Scalable Capital oder Trade Republic fast umsonst. Geht es nach den nackten Zahlen, müssten also alle Anleger schleunigst ein Depot beim Smartphonebroker aufmachen. Doch ganz so einfach ist die Rechnung nicht, Kunden dürfen die indirekten Kosten, die der niedrige Preis mit sich bringt, nicht übersehen“.


Neue Finanzrichtlinien sollen Anleger schützen

Diese Gesetzes-Initiative der EU gehört zu einer ganzen Reihe neuer Vorschriften für den Finanzmarkt (Mifid/Mifir-Richtlinie).  Das erwartete Verbot der Provisionsgeschäfte soll in Zukunft von den jeweiligen nationalen Aufsichtsbehörden überwacht werden. Zahlungen an den Neobroker für den Auftragsfluss seiner Kunden wären dann generell verboten. Die EU-Kommission hatte bereits am 25. November vergangenen Jahres den Vorschlag zum Verbot des umstrittenen Einnahmemodells als Gesetz angekündigt, nun muss das EU-Parlament zustimmen – der Ukraine-Krieg kam dazwischen. Auch ein Ausweichen der Neobroker in die USA wäre vergeblich: Im August 2021 signalisierte der Vorsitzende der US-Börsenaufsichtsbehörde Gary Gensler, dass er ein Verbot dieser Provisions-Praxis unterstützen werde. Dies ist bemerkenswert, da in den USA vor allem für Kleinanleger Aktien-Investments ein wichtiger Teil der privaten Vorsorge sind. Es ist kaum vorstellbar, dass die USA ein Geschäftsmodell verbieten würde, das laut Neobrokern „den Aktienmarkt demokratisiert“. In Großbritannien ist ein Verbot der Provisions-Modelle bereits umgesetzt.


Welche Alternativen gibt es nach dem „alles umsonst“ – Modell?

Die Neobroker wie Trade Republic und Robinhood haben anderen Online-Brokern vor allem eines voraus: Hohe Millionenbudgets für ein aggressives Marketing. Dies führt bei potentiellen Aktien-Käufern zu dem Eindruck, mit dem Geschäftsmodell der Neobroker würde die einzig bezahlbare Möglichkeit verschwinden, mit kleinem Budget Finanzprodukte zu kaufen. Ein Blick in glaubwürdige Verbraucherportale macht deutlich, dass dies nicht der Fall ist. Vor zwei Wochen untersuchte die Wirtschaftsredaktion von RTL unter Aufsicht des TÜV fünf der wichtigsten Online-Broker nach einer Vielzahl von Kriterien: Der Online-Trader Agora Direct aus Berlin, der bereits 10 Jahre vor den Neobrokern eine Alternative zum Aktienkauf über die Hausbank anbot, gewann den Vergleich recht eindeutig, auch bei den Gebühren. Dieses Unternehmen war auch in den vergangenen Monaten schon häufiger in Berichten von Verbraucherverbänden und Finanzzeitungen aufgefallen, wenn es um die Intransparenz bei den Gebühren der Neobroker ging: Als positives Gegenbeispiel.